23.02.2024
Nach gelockerten Regelungen in Italien, Tschechien und der Schweiz: Deutschland geht noch weiter. Ab 01. April 2024 sind Cannabis-Sorten bis 10% THC-Gehalt in Kleinmengen im Besitz und Konsum erlaubt.
Damit setzt Deutschland dem Schwarzmarkt zu und ermöglicht einen geordneten Zugang zur Heilpflanze. Aus der Politik und Medizin gab es Meldungen für Legalisierung und für weiter anhaltende Prohibition.
Bisher musste, wer mit Cannabis >0,2% THC erwischt wurde, mit Geldstrafen bis 100.000€ rechnen oder sogar Gefängnisstrafen abtreten. Jetzt ist die private Verwendung, der Besitz von Kleinmengen und der kontrollierte Abbau legalisiert abseits vom medizinischen Cannabis oder Nutzhanf.
Erwachsene dürfen in Deutschland ab dem 01. April 25g Cannabis mit sich tragen, der private Besitz darf 60g nicht überschreiten. Zudem wurden die Strafenkataloge reduziert, sodass die Bußgeldstrafen bis maximal 30.000€ reichen, in schweren Vergehen weiterhin die Gefängnisstrafe. Umgekehrt wird allerdings der Schwarzmarkt härter bestraft. Außerdem wird eine eigene Agentur zur Überwachung der Cannabis-Legalisierung eingerichtet.
Der private Eigenanbau ist auf drei Pflanzen beschränkt, der Anbau in Vereinigungen, sogenannte Cannabis-Clubs, soll begrenzt legalisiert sein. Auch hier werden Verstöße maßgeblich geahndet. Außerdem werden die THC-Werte mittels Schnelltests durch die Agentur regelmäßig kontrolliert.
Befürchtungen von Gegnern der Legalisierung in Deutschland sind hohe Verwaltungsausgaben, Risiken von erhöhten Krankengeldkosten oder gar Gefährdungen im öffentlichen Bereich. Grundsätzlich sind bei jedem (psychoaktiven) Stoff, sei es Nikotin, Alkohol oder sogar Zucker entsprechende Risiken vorhanden.
„Wenn ich Diabetiker bin und einen Zuckerschock erleide, so kann ich ebenfalls mein Bewusstsein verlieren. Diabetes interessiert sich nicht dafür, ob ich gerade aus einem Zug aussteige oder ein Fahrzeug lenke.“
„So ist es ebenfalls mit sinneserweiternden Substanzen. Ein Alkoholiker fährt dennoch mit dem Fahrrad und ist dadurch Verkehrsteilnehmer. Es muss das Bewusstsein der Bevölkerung zum sinnvollen und nicht gefährdenden Gebrauch angeregt werden!“
Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger, MBA, Forschungsleiter Medizinische Universität Graz
Im Zusammenhang mit der Legalisierung in Deutschland wurden von der deutschen Bundesregierung einige Studien im Vorfeld in Auftrag gegeben. Außerdem wurden Vergleiche aus anderen Ländern beachtet wie Kanada.
In Kanada ist seit 2018 Cannabis-Konsum legalisiert und überwacht. Befragt wurden jeweils 18-24 Jährige. Anonym, über den Konsum in den letzten zwölf Monaten. Im Vergleich zur Befragung 2019 waren die Zahlen 2021 trotz Corona tatsächlich um etwa 5% rückläufig (39%). Eine unabhängige Studie im Vorfeld der kanadischen Legalisierung gab an, dass 2017 rund 48% Cannabis innerhalb von zwölf Monaten konsumiert hatten. Von den Befragten 2021 waren über 80% Kunden in zertifizierten Cannabis-Shops anstatt auf dem Schwarzmarkt. Die Begründung der übrigen Kunden zum Einkauf am Schwarzmarkt lag hauptsächlich am Wunsch nach höherer THC-Dosierung.
Das kanadische Beispiel zeigt also, dass obwohl für den Privatanbau kaum steuerliche Einnahmen zu erwarten sind, diese im Handel zu tragen kommen. Außerdem, so Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung in Frankfurt am Main, werde so eine bessere Analyse über die Heilpflanze Cannabis möglich. Durch eine geringere Stigmatisierung infolge der Legalisierung könnten Hilfsangebote profitieren. Jugendliche können offener mit den Eltern sprechen oder die Therapie antreten. Das fördert die sinnvolle Prävention. Beratungseinrichtungen können einen ehrlicheren und glaubwürdigeren Diskurs führen und Therapieangebote werden nicht automatisch mit der Angst von Strafen verknüpft.
„Cannabis ist eine Hanfpflanze. Werden Teile der weiblichen Hanfpflanze (meist Cannabis sativa, Cannabis indica oder deren Hybriden) konsumiert, können diese eine berauschende Wirkung entfalten. Das Rauschmittel stammt dabei aus den Blütenspitzen und Blättern oder dem Cannabisharz und enthält den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC).
Als Droge wird Cannabis fast ausschließlich geraucht, oft vermischt mit Tabak. In kleinen Dosen erzeugt Cannabis Euphorie, Angstverlust, Beruhigung und Schläfrigkeit. Insbesondere der Konsum in jüngeren Jahren birgt allerdings ein hohes Risiko für langfristige Schäden. Todesfälle, die direkt auf Cannabis zurückgeführt werden, sind selten.
Das Abhängigkeitsrisiko von Cannabis ist komplex und variabel. Es besteht die Möglichkeit einer Toleranzentwicklung bei wiederholtem Konsum sowie eines Entzugssyndroms bei Cannabisentzug.“
Heino Stöver, Direktor des Instituts für Suchtforschung in Frankfurt am Main